Der Einfluss informeller Nutzungen auf die Stadtentwicklung

Seit 19 Jahren wird für die Zukunft des RAW-Geländes geplant. Die kulturelle Nachnutzung selbst ist aber kein Ergebnis eines formalen Planverfahrens, sondern das Resultat direkter Teilhabe: Nutzungsbedürfnisse der Friedrichshainer*innen wurden auf dem RAW nach der Werkstilllegung unmittelbar gelebt. 1998 entsteht daraus der RAW-tempel e.V., der in den Folgejahren als Träger des Soziokulturellen Zentrums ein vielfältiges Kulturprogramm für den Stadtteil schafft.

Mit dem Übergang der staatlichen in eine privatwirtschaftliche Geländeverwaltung begann 2001 parallel zu dieser informellen Nutzung ein formaler Prozess der Geländeentwicklung zwischen Eigentümer*innen und Bezirksamt, der bis heute hauptsächlich auf dem Papier stattfindet (vgl. Michael Rostalski. Gelebte Orte – geplante Stadt. Das RAW-Gelände in Berlin. Königshausen & Neumann 2011).

Interessant ist dabei der Umgang wechselnder Geländeeigentümer*innen mit den Beteiligungsprozessen von Nutzer- und Nachbar*innen auf dem RAW: Die Vivico setzt sich 2001, wenn auch widerwillig, mit den Nutzer*innen und Nachbar*innen an einen Tisch. Die R.E.D. nimmt zwar ab 2007 zunächst an bezirklich organisierten Treffen für die gemeinsame Geländeplanung teil, veröffentlicht jedoch kurz darauf ein eigenes Entwicklungskonzept, das die kulturelle Nutzung als Zwischennutzung ausweist. Seit 2015 setzt die Kurth-Gruppe ihrerseits auf das Konzept „Partizipationskommunikation“.

Ein wiederkehrendes Element ist der Kontrast zwischen dem Anspruch einer stadtteil-basierten RAW-Entwicklung seitens der Nutzer*innen und der rendite-orientierten Geländeerschließung seitens wechselnder Investor*innen-Gesellschaften. Allen Eigentümer*innen-Entwürfen gemein ist die Preisgabe der besonderen städtebaulichen Gestalt des RAW-Geländes zugunsten einer hochgeschossigen und engen Bebauung. Demgegenüber steht der Wunsch der Nutzer*innen und Nachbar*innen, das RAW als Freiraum und in seiner Eigenart zu erhalten, was behutsame bauliche Ergänzungen nicht ausschließt.